Im Glasauge des Seins 2010

Unsichtbar grenzt eine geheimnisvolle Welt an die unsere, gleich einem mächtigen, nächtlichen Schatten, der wie herbstliches Laub die Landschaft bedeckt und die mystischen Geschichten längst vergangener Vorzeiten in das dichte Gestein der Gehwege flüstert.

Schwarze Winde stürmen durch die labyrinthischen Strassen der kleinen Stadt, ergreifen jeden winzigen Winkel und spielen eine schaurige Melodie durch die zugigen Spalten der schützenden Gemäuer. Ein Säuseln kraucht in Ameisenscharen über meine Haut und hinterlässt winzige Hügel einer schaudernden Vorahnung auf der schützenden Hülle meines Antlitzes. In der eisigen Kälte scheinen die Farben eingefroren und ihrer Leuchtkraft beraubt. Zurück bleibt die nuancenlose Leere einer ausgeblichenen Welt. Nur die Konturen einzelner Gestalten flüchten wie dunkle, von Körpern losgelöste, Schatten durch den nebligen Scheinwerfer der Nachtsonne, die vom wolkigen Leichentuch umhüllt ins Nichts entflieht.

Einzig die gusseisernen Laternen jagen gequälte Strahlen in die ausgestorbene Dunkelheit und muten wie einäugige Zyklopen an, die Ausschau nach einem angstverstohlenen Opfer halten. Jeder einzelne Schritt hämmert eine furchterregende Geräuschlavine in den Beton, die unaufhaltsam die Stille überflutet. Rastlos wächst die Nacht zu einer gespenstischen Koryphäe heran und lässt alles und jeden in ihrem finsteren Schlund. verschwinden.

Blind irre ich einen unbeleuchteten Weg entlang, verloren in dem Sog eines finsteren Tunnels und gespalten zwischen dem Dort und dem nicht existierenden Hier, in der schaudernden Einbildungskraft endend,  mich aus dem festen Fundament der  Wirklichkeit losreißend, – bin ich?…ich bin… verloren.

Gehetzt bewege ich die Fäden, als eine Marionette der Angst, weggetreten in das spukhafte Reich abgründiger Erinnerungen. Beeilen, hastig, schnell, noch viel schneller, getrieben vom rasenden Takt der unsichtbaren Peitschenhiebe. Von Geisterhand gejagt, erreiche ich außer Atem das Portal. Wie die undurchdringlichen Gitter meiner Gefangenschaft schimmern die eisernen Stangen des Eingangstores hämisch… unüberwindbar, unüberwindbar…das schaffst du nicht…das wird dir nicht gelingen. Mit zitternder Hand und geschlossenen Augen versuche ich die Klinke zu greifen, immer, und immer wieder, doch vergebens. Dann, blitzartig,  schneidet ein Höllengeräusch  meine geschlossenen Augenlieder auseinander, borstiges Metall, das in kämpferischer Freude aneinander reibt, zersplittert meine Knochen und zerfleischt mich in die Fetzen meiner Existenz. Nur mein Herz hält mit jedem donnernden Schlag das widerständige und mutige Heer zusammen, will sich nicht ergeben, will den unsichtbaren Feind mit brausendem Trommelwirbel in die Flucht jagen. Angstschlotternd bewege ich mich im verbergenden Schatten einer Baumallee, vollkommen im Unklaren darüber, wie ich auf einmal hier gelandet bin, denn in der Ferne ist der gespentische Zugang  in den Park nur noch zu erahnen…

Anlässlich von Halloween, von einer die auszog um das Fürchten zu lehren.