Weihnachtsflüstern 2010

Es war einmal eine Geschichte, die leiser als jedes Geschehnis dieser Welt und aller Zeiten ihre Begebenheiten erzählt. In dem Stillschweigen einer fallenden Schneeflocke, deren winzigen Verästlungen mit der Reibung am eisigen Winden dahinschmelzen, zum letzten Tanz davon geweht, um in der Vergangenheit verloren zu gehen. Nebelschleier trüben die Sicht auf die Realität und lassen alles unwirklich und undurchsichtig anmuten, das Verborgene, das Stumme, das Nichtwahrgenommene, der Kontrast.

Ein geschäftiges Wirren gleich emsiger Bienen in einem Insektenstaat erfüllt die Straßen der Stadt eine geregelte Unruhe im alltäglichen Treiben eines nur mal schnell noch Müssens. Als wäre der letzte Monat im Jahr dazu bestimmt alle unerledigten Geschäftigkeiten des gesamten Jahres im Eilzugtempo über die Bühne zu jagen. Dazu kommen die vielen Geschenke, die noch zu besorgen sind, mal wieder im Dezember, trotzdem bereits im vergangenen Jahr der feste Vorsatz feststand, nicht auf den letzten Schuss im wahnsinnigen Getümmel die letzten Nerven auf die Zerreißprobe von massiven Stahlseilen zu spannen. Kein Wunder das Socken in allen denkbaren Variationen lange Zeit als häufigstes Weihnachtsgeschenk galten. Wenn ich schon einfallslos bin dann schenke ich wenigstens ein Lächeln in der Form einer Socke oder verleihe meiner Unkreativität Ausdruck, sofern Beschenkter die Sockenform in entgegengesetzter Richtung vor Augen hält. Die allzu beliebte Fußbekleidung findet einen ehrenvollen Nachfolger, mittlerweile in sämtlichen Variationen der Spielekonsolen wieder. Eine unverzichtbare Errungenschaft unserer Zeit, denn wer benötigt eine reale Welt um Tennis oder Bowling zu spielen, den Aspekt der sozialen Interaktion dabei komplett außen vor gelassen, wenn alles bequem von zu Hause aus erledigt werden kann. Ich erwarte schon mit Freuden den Tag, an dem einem nicht mehr der Umstand abgefordert wird geboren zu werden, die erste enge Einbahnstraße zu passieren und ab jenen urtümlichen Moment begreifen zu lernen, das für keine einzelne vergangene Sekunde die Möglichkeit besteht, selbige noch einmal zu erleben, auch wenn jeder Mensch einmal im Jahr an seinen Geburtstag erinnert wird. Mit Weihnachten verläuft das irgendwie anders. Ab einem gewissen Alter, ungefähr dann, wenn der Weihnachtsmann allein in deiner Phantasie neben den Märchengestalten deiner Kindheit Existenzberechtigung erhält, du erkannt hast, dass ein wohl behütet von der Außenwelt in ein verdammt ich habe die Schlüssel unauffindbar verloren und muss jetzt immer da draußen bleiben umgeschlagen ist, dann wird Weihnachten eine endlose Wiederholung, flüsternder Gedanken und dämmernden Inszenierungen in deinem Kopf, darüber, welches mögliche Familienchaos in diesem Jahr das Fest der Liebe würzt. Wir haben 365 Tage im Jahr zur Verfügung, um lieb und verständnisvoll miteinander umzugehen, einem Penner großzügige Kleingeldgeschenke zu machen, uns Dinge einfallen zu lassen, um jemand anderen glücklich zu stimmen, in der Familie einmal gemeinsam zusammen zu sitzen und sich für das Leben des anderen zu interessieren, eine Gans in den Ofen zu schieben, mal Kerzen auf den Tisch zu stellen, das Haus oder die Wohnung in warmer Atmosphäre zu dekorieren. Aber nein das müssen wir alles Weihnachten machen, überschlagen uns in den ganzen Erwartungen, Vorstellungen und Vorhaben und dann kommt alles ganz anders- natürlich unerwartet und selbstverständlich wie immer.

In explosiver Stimmung werden die Stresshormone durch den Körper geschossen, nebenher sinnlose Geschenke gekauft, um die Wirtschaft am Leben zu erhalten, mit Aussicht auf den Jahreswechsel ein Conclusium über den bisherigen Verlauf des eigenen Lebens gedanklich verfasst und in diesem Zusammenhang gleichzeitig die guten Vorsätze ähnlich wie die zehn Gebote, zur neuen Lebensformel formuliert, in das neue Bewusstsein gemeißelt, um später mit zwangsläufigen Fehltritten das Schleifpapier über die weislich gewonnenen Einsichten zu schwenken. Eine Endlosschleife der Ideen über die perfekte Lebensführung. Soweit es mich betrifft, habe ich mich bereits mit dem Gedanken angefreundet der Perfektion weitestgehend aus dem Weg zu fliehen. Aber wer bin ich, mich anzumaßen in dieser Geschichte eine allgemeine stillschweigende Wahrheit zu verstecken. Ich bin jeder genau in der selben Weise, wie ich sehr speziell und individuell bin. In der riesigen Welt meiner Gedanken weder sehr weiblich noch zu männlich…

Wie es weiter geht, erfahrt ihr aus der Flasche.